279 Bewerbungen, 279 Absagen – der lange Weg zum Traumjob
War Ihre Transidentität beruflich ein Problem?
Als ich vor fünf Jahren zum ersten Mal als Frau einen Job gesucht habe, habe ich 279 Bewerbungen abgeschickt – und 279 Absagen erhalten. Dann habe ich eine Umschulung zur Personaldienstleistungskauffrau und danach noch die Prüfung zur Personalfachkauffrau gemacht. Teil dieser Umschulung war ein Praktikum, für das ich mich bei der
Leipziger Aus- und Weiterbildung (LAB) beworben habe. Im Bewerbungsgespräch ging es ganz viel über meine Vorstellungen und Ziele für die Zukunft, und ich dachte mir: „Hey, ich will doch nur Praktikum hier machen, nicht hier anfangen!“ Nur: Meine Transidentität war kein Thema. Am Ende habe ich dann gefragt: „Wollen Sie eigentlich meine Unterlagen sehen? Hier ist meine Vornamens- und die Personenstandsänderung.“ Ich dachte, ich müsse erklären, warum auf meinen Zeugnissen ein anderer Name steht. Nach dem Gespräch hat mir meine spätere Chefin gestanden, dass ihr das überhaupt nicht bewusst war. Da habe ich realisiert, was hier gerade passiert ist, und ich wusste:
Hier will ich arbeiten! Noch im Praktikum wurde mir ans Herz gelegt, mich zu bewerben – und seit 2019 arbeite ich hier, in meiner Abteilung.
Was ist in Ihrer Abteilung anders als in anderen Abteilungen?
Hier wird der Mensch gesehen. Auch Noten spielen bei uns zum Beispiel keine Rolle bei der Auswahl von Azubis. Es geht ausschließlich darum, was jemand kann. Jeder hat dieselben
Chancen, hier anzufangen, denn jeder hat bei uns einen Test, der zum Berufsbild passt. Zudem wird gegen Diskriminierung und Rassismus vorgegangen, bis zu Abmahnung und Kündigung. In anderen Abteilungen wurde schon über mich gelästert, das hatte zum Glück auch Konsequenzen. Vor allem haben aber die Azubis gesagt: „Wir möchten dort nicht arbeiten.“ Das hat mich sehr gefreut.
Spielt Ihre Transidentität heute eine Rolle in Ihrem Berufsalltag?
Manchmal sagen Leute am Telefon „Ich hätte gerne die FRAU Seifert gesprochen“, meine Stimme klingt ja recht tief. Und es gibt viele alte Strukturen überall, die nur langsam aufbrechen. Vor allem merke ich aber in meiner Arbeit mit den Azubis: Alles, was ich erlebt und durchgemacht habe, hilft mir bei meiner Arbeit. Ich kann mich gut auf vieles einstellen und mich einfühlen, und ich weiß, welche Sprüche überhaupt nicht ziehen.