Navigation überspringen? Ja (Enter) oder Nein (Tabulator)
Seiteninhalte überspringen? Ja (Enter) oder Nein (Tabulator)

Als Helmut Kohl im Dunklen stand: Ex-Stadtwerker schreibt Leipziger Energie-Geschichte

von Peter Krutsch | 15.05.2025

Jahrzehntelang arbeitete Thorsten Körner für die Leipziger Stadtwerke und deren Vorgänger-Unternehmen. Jetzt legt der Unruheständler eine Leipziger Energie-Geschichte vor, die auch eine Stadt-Historie ist – mit mitunter kuriosen Anekdoten.

Thorsten Körner liest aus seinem Buch

Thorsten Körner bei seiner ersten Vorab-Lesung aus dem Manuskript seines Buches im Beratungszentrum der Leipziger Stadtwerke.

Thorsten Körner und Peter Krutsch

Zum Schmunzeln: Erste Vorstellung des Manuskripts der neuen Energie-Geschichte im Rahmen eines moderierten Gesprächs während der Leipziger Buchmesse.

Helmut Kohl hatte gerade eingecheckt, als der Strom ausfiel. Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und spätere Bundeskanzler bereiste 1975 mit seiner Familie die Heimatstadt seiner Frau. Einem Mittelspannungskabel aus dem Jahr 1923 war der hohe Besuch im Interhotel „Stadt Leipzig“ jedoch egal. Es verabschiedete sich altersbedingt in den ewigen Feierabend. Kurzschluss. Dunkelheit. Was für eine Blamage vor dem Klassenfeind! Rettung nahte in Form eines auf den Hof gefahrenen Notstromaggregats. Die Stahlturbine eines ausgemusterten Kampfflugzeugs der Reihe MIG-17 sollte es antreiben. Und? Es funktionierte! Nur war der Lärm so unbeschreiblich, dass die Aktion beendet wurde. Kohl sah weiter schwarz. Danach forschten staatliche Organe lange nach Urhebern der vermeintlichen Sabotage.

Die Episode ist Teil des neuen Buches, das der frisch gebackene Unruheständler Thorsten Körner in diesem Sommer im Passage-Verlag vorlegen wird. Eine Leipziger Energie-Geschichte, geschrieben von einem Experten. Jahrzehntelang arbeitete er in vielen verschiedenen Funktionen für die Leipziger Stadtwerke. Er kennt das Unternehmen wie nur wenige. Er kennt die DDR-Zeit, Mangelwirtschaft und Kohlestaub, aber auch die Sprengung des Schornsteins in der Arno-Nitzsche-Straße, einem der letzten Wahrzeichen der Braunkohle-Ära. Und er kennt die Modernisierungsschübe, inklusive erneuerbarer Energien. Dazu hat er noch viele Monate in Archiven, beim Forschen, Recherchieren und Nachlesen verbracht. Das Ergebnis findet sich nun zwischen zwei Buchdeckeln: "Geschichte der Leipziger Stadtwerke - Die Leipziger Energieversorgung im Wandel der Zeit."

Energie-Geschichte spannt den Bogen von der ersten Gaslaterne bis zum wasserstofffähigen Kraftwerk

Stadtwerke-Chronik Schornstein-Sprengung

Historischer Moment: Mit dem dem Fall des Schornsteins an der Arno-Nitzsche-Straße verschwindet im Sommer 2023 ein Wahrzeichen der Braunkohle-Ära in Leipzig. Auch diese Zeit wird in Thorsten Körners Leipziger Energie-Geschichte beleuchtet.

Thorsten Körner weiß einfach, worüber er schreibt. Als gebürtiger Leipziger, Kenner der regionalen Energie-Geschichte aus erster Hand, einstiger Mitgestalter der Wende-Zeit, als Ur-Gestein und Verantwortlicher in vielen Positionen der Leipziger Strom-und-Wärme-Welt kann er sein Lebensthema aus allen Perspektiven beleuchten. Seine Energie-Geschichte spannt den Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Erste Gaslaterne, erste Dampfmaschinen, erstes Kraftwerk, Braunkohle, das Wachsen der Gas-, Strom- und Fernwärmenetze, Weltwirtschaftskrise, Weltkriege, DDR, Umweltverschmutzung, Klimabewegung, Planwirtschaft, Marktwirtschaft, Digitalisierung, Dekarbonisierung, Dezentralisierung, erstes wasserstofffähiges Kraftwerk – im Brennglas der sich wandelnden Energie-Welt spiegelt Körner Leipziger Geschichte. Das ist nicht nur historisch interessant, sondern auch ein Lesevergnügen, weil er Sachthemen stets mit lebendigen Anekdoten würzt.

Der Mann ist eben Stadtwerker mit Leib und Seele. Kenntnisreich, offen und pragmatisch. In seiner ersten Lesung aus seiner Energie-Geschichte im Rahmen der Leipziger Buchmesse antwortet er auf die Frage des Moderators, was er jungen Leuten sage, die sich für Energie interessierten, so: „Auf die Straße kleben bringt wenig. Bei den Stadtwerken arbeitest Du aktiv für Versorgungssicherheit und Umweltschutz und gestaltest deine Stadt. Wenn ich sehe, was gerade bei den erneuerbaren Energien passiert, dann kann ich nur sagen: Spannender geht es nicht.“

41 Jahre zurück in der Energie-Geschichte: Vorbereitung des Fundaments für den Schornsteinbau in der Arno-Nitzsche-Straße im Jahr 1984.

Thorsten Körner: Geschichte der Leipziger Stadtwerke - Die Leipziger Energieversorgung im Wandel der Zeit, Passage-Verlag Leipzig 2025, 192 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-95415-168-4, 24,50 Euro. Erscheint im August 2025

Das könnte auch interessant sein

nach oben