Mit der Organisation von Sprengungen hat die Firma Reinwald jede Menge Erfahrung. Viele erinnern sich sicher noch an den Fall der Industriehalle im Jahre 2007, die für das Gondwanaland im Zoo weichen musste. Das war die Firma Reinwald. Auch der Rückbau des über 200 Meter hohen Schornsteins der Firma Bell Flavors in Miltitz gehört zu den Referenzen des Unternehmens. Für den Schornstein in Leipzig arbeitet sie mit Thüringer Partnern zusammen.
Ulrike Matthes, Sprengmeisterin der Thüringer Sprenggesellschaft, wird die Sprengung vollstrecken. Oder wie sie es sagt: „Der Schornstein wird durch eine Dreifach-Faltung mit wechselseitig geöffneten Sprengmäulern in Nord-Süd Richtung niedergeführt.“ Rund 100 Kilogramm Sprengstoff setze sie ein, sagt sie. Mit Staub sei zu rechnen, vor allen Dingen bei Trockenheit und Wind. „Deshalb sollten die Anwohner auch über den Sperrkreis hinaus die Fenster schließen, sensible Bebauungen abdecken und Luftansaug-Anlagen abschalten.“
Die Thüringer Experten haben bereits 451 Schornsteine erfolgreich „niedergeführt“. Darunter waren auch die Stahlbeton-Riesen der Kraftwerke Franken II (202 Meter), Gera Süd (120 Meter), Westerholt (300 Meter) und Castrop-Rauxel (230 Meter). Was Matthes‘ anspruchsvollste Sprengung war? „Der Abbruch des zweiten Weißen Riesen in Duisburg“, sagt sie. Wer sich das Video im Internet anschaut, sieht wie vier Teile eines Mega-Blocks mit 320 leeren Wohnungen passgenau nacheinander in sich zusammenfallen. Perfekter „Rückbau“, wie es Experten nennen, in Sekundenschnelle.
Noch steht er, der Schornstein an der Arno-Nitzsche-Straße. Meigen schaut zu ihm auf. Auf die Frage, ob er den Koloss mit Wehmut verabschiede, antwortet er: „Mit ihm verschwindet ein Relikt aus einer Zeit, in der mangels Alternativen die Fernwärmeversorgung vor allem der Neubaugebiete auf Basis von Rohbraunkohle mit starker Umweltbelastung und hohem Arbeitskräfteeinsatz gesichert werden musste. Auch wenn das Heizwerk zu meiner beruflichen Geschichte gehört, trauere ich dem Schornstein nicht nach.“
Hintergrund: Wer war Arno Nitzsche?
Arno Nitzsche, geboren 1897 in Leipzig, Mitglied der KPD, Teilnehmer am Spanischen Bürgerkrieg, 1942 von den Nationalsozialisten zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde nach dem zweiten Weltkrieg Gasmeister in den Zentralgaswerken. Den Straßennamen vergab die Stadt nicht für seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus, sondern für seinen Einsatz bei einem Lösch-Unfall. Zu Steinkohlezeiten, als auf dem Gelände noch glühend heißer Koks gelöscht werden musste, wurde dieser auf ein Spezialfahrzeug geschoben und dann unter einen Löschturm mit Wasser gebracht. Nitzsche verunglückte am 19.11.1948 im Gaswerk Süd bei dem Versuch, einen Kollegen bei einem Betriebsunfall zu retten. Er geriet unter den heißen Koks und verstarb zwei Tage später im Krankenhaus Dösen.