17 aus 49: Gewinnzahlen für Leipzig
von Simone Liss | 11.02.2022
von Simone Liss | 29.12.2021
Erik Pomplitz schaut zuversichtlich ins neue Jahr. Denn er setzt auf alles, was wächst: Holz, Kinder und Wissen. Seine Idee, alles miteinander zu verbinden, ist nun honoriert worden.
Geduldig erklärt Erik Pomplitz Markus die Idee des Würfelnetzes.
Dieser Mann baut auf Holz. Birke, Buche, Eiche, Robinie, Kiefer, Nussbaum sind seine Elemente. Pomplitz ist seit 35 Jahren Bautischler und führender Kopf des Vereins manufactur in Lindenau und seine Lehrwerkstatt in der Kulturwarenfabrik im Leipziger Westen ein Treffpunkt für Schüler, Lehrer, Auszubildende, Designer, Tischlermeister, Privatleute. Sie alle verbindet die Liebe zum Holzhandwerk. Und Pomplitz ist der Mann, der alle und alles zusammenhält.
Beim Besuch in seiner Werkstatt zwischen Lützner Straße und Henriettenpark fällt zuerst der markante Geruch frischen, bearbeiteten Holzes auf. Hier ist man im besten Sinne des Wortes auf dem Holzweg. Im Hof, im Lager, in der Werkstatt, rund um die Werkbänke – überall Stämme, Bretter, Klötze verschiedenster Art, Herkunft, Farbe und Form. An der Decke die Fragmente eines Bootes, in der Werkstatt Sägen jeder Art, Bohr- und Schleifmaschinen, Beitel, Hobel, Feilen und Fräsen. Es herrscht emsige Betriebsamkeit. Auf 1000 Quadratmetern hört man Sägen, Fräsen und Hobeln. Im Schnitt sind hier zehn Schreinermeister am Werk – und ein Lehrling: Lorenz. Gerade arbeiten sie Hand in Hand an Baumstelen. „Wir haben uns auf die Verarbeitung von Massivholz aus heimischen Parks und Wäldern verschrieben“, sagt Pomplitz. Seine Auftraggeber kommen unter anderem aus der Automobilbranche, aus kommunalen Ämtern oder Bildungseinrichtungen – darunter mehr als 20 Schulen.
Keine Frage bleibt unbeantwortet.
Jüngst hat die 4. Klasse der Fanny-Hensel-Grundschule in Plagwitz Pomplitz‘ Werkbänke erobert. Wie Hensel spielt Pomplitz gegen alle Widerstände an. Hensel, Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, war eine begnadete Komponistin, die schon als Teenager Stücke schrieb. Doch sie wurde von ihrer Familie daran gehindert, ihr Talent so zu nutzen, wie sie es sich gewünscht hätte. „Heute“, sagt Pomplitz, „wüssten viele Kinder gar nicht um ihre Talente, weil sie leider nicht mit allen Sinnen lernen und nur frontal, praxisfern unterrichtet werden oder von Familie und Gesellschaft in Rollen gedrängt werden, die nur wenig ihrer Neigung und ihrem Können entsprechen.“ Die Fanny-Hensel-Grundschule setzt auf offenen, praxisnahen Unterricht. Bei Pomplitz rennen die Lehrer damit offene Türen ein. Bei ihm lernen die Kinder, was Holz mit Sachunterricht, Kunst, Mathematik und Werken zu tun hat; warum Pilze, Käfer und Moose Holz lieben; wie sich das Holz dem Klima anpasst; wie aus einem Stück Holz ein Würfel wird und was man anhand seiner Kanten, Ecken und Flächen über Geometrie lernt.
Wohin das Auge blickt: Holz – in jeder Form und Farbe.
Nach der chinesischen Harmonielehre Feng Shui ist das Element Holz Sinnbild für Aufbruch, Wachstum, Fortschritt, Weiterentwicklung, Kreativität oder auch einfach den Anfang von allem, so wie die Geburt und Kindheit. Deshalb wird es auch als Startenergie bezeichnet. Von dieser Energie hat Pomplitz, der 53-Jährige, sehr viel. Und er gibt sie weiter – an Kinder und Jugendliche – seit 2016 an mehr als 50 Schulklassen. „Polytechnische Bildung ist ein verfemter Begriff, weil er zu DDR-Zeiten überstrapaziert worden ist. Doch die Ursprungsidee ,Learning by doing‘, ist meiner Erfahrung nach sehr wertvoll. Kinder, die hier selbst Würfelnetze bauen, das Erlebnis machen, mit ihren eigenen Händen etwas zu erschaffen – etwas, das bleibt und sie ein Leben lang an das Gelernte erinnert, schätzen die Zeit, die sie hier verbringen. Es macht sie selbstbewusst und achtsam. Sie haben am Ende Respekt – vor der Arbeit und dem Werk. Was man selbst gebaut hat, wirft man nicht achtlos weg“, sagt er.
Nachhaltigkeit ist eines seiner großen Themen. „Alles hat seine Zeit. Und am Lebenszyklus des Holzes kann man das Kindern gut vermitteln. Holz muss geschnitten, getrocknet, bearbeitet werden – das alles dauert. Eine wichtige Lektion.“ Mit älteren Kindern baut er Trageboxen für Werkzeug. „Jedes Kind nimmt seine eigene Box mit eigener Seriennummer mit nach Hause. Ein Produkt aus eigener Hand. Das hegt und pflegt man.“ Pomplitz große Hoffnung: Dass eines „seiner“ Kinder mal selbst Handwerker wird, vielleicht sogar Tischler. Dass „seine“ Kindern schonend mit Ressourcen und Materialien umgehen und verantwortungsbewusste Erwachsene werden. Pomplitz folgt einer klaren Philosophie: Mitdenken und Verantwortung übernehmen. Durch Initiative, durch Zuhören, durch einen steten Blick über den Tellerrand.
Ein Grund für die Jury des Leipziger Zukunftspreises 2021, Pomplitz‘ Tatkraft zu würdigen und zu prämieren. „Nachhaltigkeit und Engagement gehören zur DNA der Leipziger Gruppe. Deshalb freue ich mich, dass in diesem Jahr das Engagement eines Vereins gewürdigt wird, dem nachhaltige Bildung auf besondere Weise gelingt: durch praktisches Tun“, sagt Michael M. Theis, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Gruppe. „Kindern und Jugendlichen anhand kleiner, selbstgemachter Holzgegenstände große Zusammenhänge der Welt einfach und genial zu erklären, ist in Leipzig einmalig und bemerkenswert!“
Weitere Preisträger sind der Geschenkekiste e.V. sowie die Initiative „Leipzig pflanzt“. Das Forum Nachhaltiges Leipzig hat mit dem Zukunftspreis 2021 drei Projekte ausgezeichnet, die sich für eine nachhaltige Entwicklung in Leipzig einsetzen. Die Auswahl der Siegerprojekte und die Stiftung der Preisgelder in Höhe von insgesamt 11.000 Euro erfolgte durch die Stadt Leipzig, die Leipziger Gruppe, die Sparkasse Leipzig und die VNG AG.