AUF EXPEDITION 09 Wie haben Sie dort gewohnt? Wir hatten Zweier-Kammern. Ich habe mir meine mit einem Wis- senschaftler aus den USA geteilt. Das ist erst mal ungewohnt, wenn man immer sein ei- genes Zimmer hat und plötzlich hat man relativ wenig Privatsphäre, aber irgendwie ist es auch schön. Man trifft sich da immer, kann sich gut austauschen. Wir haben uns sehr, sehr gut verstanden. Und wie sah es mit der Versorgung aus? Man ist ja einfach weg von allem, fast wie auf der ISS. Wir waren ja auch tatsächlich weiter weg von der Zivilisation als die ISS, die räumliche Distanz war zumindest größer. Verpflegt wurden wir durch zwei Köche. Das war sehr gutes Essen, es gab immer ein vegetarisches und ein Fleischgericht. Oben: Nach dem Ende der Polar- nacht kamen auch regelmäßig Eis- bären zu Besuch, Mitte: Forscher in Balloon Town, unten: Hannes Griesche vor dem Rumpf der „Polar- stern“ der Schicht über der Troposphäre in rund sieben bis zehn Kilometern Höhe. Da wurden – zumindest mit unseren Messverfahren – bisher noch keine Aerosole gemessen. Es ist noch nicht so ganz klar, wo die her- kommen. Wir haben die Vermutung, dass sich durch die starken Waldbrände, die es letztes Jahr in Kanada, Russland und in Alaska gab, Aerosole in den Wirbel um die Arktis herum eingemischt haben und so in die Stratosphäre gelangt sind. Das ist zumindest aktuell die wahrscheinlichste Theorie. Hier betreiben wir Grundlagenforschung. Wie kann man sich denn den Alltag auf der „Polar- stern“ vorstellen? Es gab ja kein Sonnenlicht, deshalb wurden die Tagesabläufe stark durch die Mahlzeiten strukturiert. Nach dem Frühstück habe ich mich in der Regel um unseren OCEANET-Container gekümmert, habe geschaut, ob dort alles noch läuft. Und dann habe ich meist anderen Leuten auf dem Eis geholfen. Es war zum Beispiel immer mal wieder notwendig, als Bärenwächter mit rauszugehen, falls Eisbären auftauchen. Wir haben aber in meiner Zeit dort keine gesehen. Nur einmal wurde ein Bär von einer auto- matischen Kamera aufgenommen. Das war aller- dings zu erwarten, weil es einfach zu dunkel war, da haben die Bären nichts zu jagen. Ansonsten habe ich häufig ältere Daten ausgewertet, weil ich nebenbei an meiner Doktorarbeit schreibe, oder ich habe andere Wissenschaftler bei deren Messungen unterstützt. Meine eigenen Aufgaben waren an sich gar nicht so umfangreich, weil unser Container ja dafür ausgelegt ist, automatisch zu messen. Und nach den vier Monaten dann immer noch frisch? (lacht) Nein, das Frische ging dann irgendwann zur Neige, dann gab es noch eine Zeit lang eingelegten Kohlsalat und so etwas. Als wir dann abgeholt wurden, war die Freude groß: Da kamen neue, frische Sachen und es gab endlich wieder Obst. Was waren für Sie persönlich die größten Heraus- forderungen? Tatsächlich war für mich die größte Herausforderung, dass es am Ende länger gedauert hat als geplant. Das fand ich deshalb schwierig, weil es sich immer häppchenweise verzögert hat: jetzt noch mal drei Tage länger, noch mal fünf Tage länger ... Das hat sich dann über einen Monat so hingezogen und das fand 0 3 – 2 0 2 0 . L E I P Z I G E R L E B E N